Der Dritte Mann by Graham Greene

Der Dritte Mann by Graham Greene

Autor:Graham Greene [Greene, Graham]
Die sprache: deu
Format: epub
veröffentlicht: 2012-09-15T04:00:00+00:00


10

VON DEM AUGENBLICK AN, DA ich wußte, daß Martins nicht das Flugzeug nach London benützt hatte, hatte ich ihn auf Schritt und Tritt überwachen lassen. Er war in der Gesellschaft von Kurtz und im Josefstädter Theater gesehen worden; ich wußte auch von seinen Besuchen bei Dr. Winkler und Oberst Cooler, desgleichen von seiner erneuten Rückkehr zu Harrys Haus, aber aus irgendeinem Grunde hatte mein Beamter zwischen Coolers und Anna Schmidts Wohnung seine Spur verloren. Sein Bericht besagte, daß Martins ziellos umhergewandert sei, und wir gewannen beide den Eindruck, daß er bewußt seinen Verfolger abgeschüttelt hatte. Deshalb versuchte ich seiner dann im ›Hotel Sacher‹ habhaft zu werden, verpaßte ihn dort aber um wenige Minuten.

Die Ereignisse hatten eine beunruhigende Wendung genommen, und so hielt ich die Zeit für gekommen, ihn zu einer neuerlichen Aussprache aufzufordern. Er hatte allerhand zu erklären.

Diesmal brachte ich einen hinlänglich breiten Schreibtisch zwischen uns und bot ihm eine Zigarette an. Ich fand ihn zwar trotzig, aber durchaus bereit, zu sprechen – innerhalb ganz bestimmter Grenzen. Ich holte ihn über Kurtz aus, und seine Antworten schienen mir durchaus zufriedenstellend. Dann erkundigte ich mich nach Anna Schmidt und gewann aus seiner Antwort den Eindruck, daß er erst nach seinem Besuch bei Oberst Cooler zu ihr gegangen war; das füllte eine der Lücken in unserem Bericht aus. Hierauf brachte ich die Sprache auf Dr. Winkler, und er gab mir über seine Unterredung mit ihm bereitwilligst Auskunft.

»Sie sind ganz hübsch herumgekommen«, bemerkte ich. »Und haben Sie dabei etwas über Ihren Freund herausgebracht?«

»O ja«, antwortete er. »Sie hatten es direkt vor der Nase, aber Sie sahen es nicht.«

»Was?«

»Daß er ermordet wurde.« Das kam mir überraschend. Ich hatte einmal mit dem Gedanken an einen Selbstmord Harry Limes gespielt, aber auch diese Möglichkeit als unwahrscheinlich ausgeschieden.

»Weiter«, drängte ich ihn. Er bemühte sich, in seiner Schilderung jede Erwähnung Kochs zu vermeiden, indem er ganz vage von einem Gewährsmann sprach, der angeblich Augenzeuge des Unfalls gewesen war. Dadurch wurde seine Darstellung ziemlich verworren, und ich begriff nicht gleich, warum er dem dritten Mann so große Bedeutung beimaß.

»Er erschien nicht bei der polizeilichen Untersuchung, und die andern logen, um ihn aus der Sache herauszuhalten.«

Darauf sagte ich: »Aber Ihr Zeuge ist auch nicht erschienen – übrigens halte ich das für nicht so wichtig. Wenn es wirklich ein Unfall war, dann genügte das vorhandene Beweismaterial. Warum sollen wir den andern Herrn in Schwierigkeiten bringen? Vielleicht glaubt seine Frau, er sei damals gerade aus Wien verreist gewesen; vielleicht ist er ein Beamter, der ohne Urlaub hierherkam – mitunter machen die Leute ungerechtfertigte Fahrten nach Wien, etwa aus Klagenfurt. Die Freuden der Großstadt – soweit man davon sprechen kann.«

»Da steckt wohl mehr dahinter«, erwiderte darauf Martins. »Der kleine Herr, der mir die ganze Geschichte erzählte – den haben sie ermordet. Sie wußten offenbar nicht, was er noch alles gesehen hatte.«

»Ah, jetzt haben wir's«, hakte ich sofort ein. »Sie meinen Koch.«

»Ja.«

»Soviel wir wissen, waren Sie der letzte Mensch, der ihn lebend sah.« Dann fragte ich ihn aus, wie ich es schon geschildert habe,



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